Betty

Raymond Chandler – „Playback“

von Frank Becker

Betty
 
„Playback“ - Raymond Chandlers letztes Werk
 
Die Melancholie des mit seinem Schöpfer Raymond Chandler (1888-1959) alternden Philip Marlowe begleitet uns bei der Lektüre seines letzten Romans „Playback“ auf Schritt und Tritt. Zwar ist der in Los Angeles verwurzelte Privatdetektiv noch immer der hartgesottene Ermittler, dem Kompromisse fremd sind, doch zeigt er bei seinem letzten Auftrag Zweifel, Verletzlichkeit, Versöhnlichkeit und Empathie.

Von einer Rechtsanwaltskanzlei auf eine mysteriöse Frau mit verschiedenen Namen angesetzt, deren Ziel und Aufenthalt er herausfinden soll, gerät Marlowe in ein verschlafenes Kaff namens Esmeralda, in ein Gespinst von Lügen und falschen Identitäten, muß sich mit Ganoven und anderen Ermittlern herumschlagen, die ebenfalls in der Sache herumstochern und trifft auf außergewöhnlich korrekte Polizisten, die noch ein Gespür für die Wahrheit haben. Als die Hintergründe immer schleierhafter werden, ihm die Auftraggeber keinen reinen Wein einschenken und die rätselhafte Betty ihm immer neue Lügen auftischt, ermittelt Marlowe auf eigene Faust weiter - und bringt sich in Gefahr.

Was bei Chandler immer wieder überzeugt, sind die genauen, fast selbstironisch klischeehaften Beschreibungen der Charaktere: knallharten Typen, Schwätzer, smarte Anwälte, Sidekicks, Polizisten in gebügelten Uniformen, harmlosen Mädel, kühle Vorzimmertippsen, Good Girls und Bad Girls. Daß sich weder die coolen noch die aufgewühlten Damen dem rauhen Charme unseres einsamen Schnüfflers entziehen können, liegt auf der Hand. Doch er bleibt allein, obwohl man spürt, daß er es lieber anders hätte. Ein bißchen aufgesetzt wirkt das angepappte Happyend. Aber gönnen wir es unserem geprügelten Antihelden. 

Die Handlung und die Vorgeschichte treten angesichts der präzisen, blumenreichen Beschreibungen von Sujets, Örtlichkeiten, Personen und Details in den Hintergrund. Man liest und schwelgt in den von Ulrich Blumenbach wunderbar übersetzten Dialogen und Situationen, stellt sich die so genau beschriebenen Figuren vor – Chandler widmet allen, bis hin zu den scheinbar unwichtigen Nebenfiguren, die gleiche Aufmerksamkeit. Ein Genuß.

Ich empfehle dringend, das erhellende Nachwort von Paul Ingendaay mit Aufmerksamkeit zu lesen. Perfekt abgestimmt ist auch das Cover mit einem Vogue-Foto von Horst P. Horst. Goodbye, Philip Marlowe!
 
Raymond Chandler – „Playback“
Roman - Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Ulrich Blumenbach; Nachwort von Paul Ingendaay
© 2023 Diogenes Verlag, 236 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag - ISBN: 9783257072471
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch